Wie man gute Gags schreibt

Das wachsende Interesse für Stand-up-Comedy fällt in eine merkwürdige Zeit. Im Karneval 2019 macht der Komiker Bernd Stelter Witze über den Nachnamen der neuen CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer. Es schließt sich eine unvermeidliche Diskussion an, moralisch, ideologisch, verbittert: Darf man das? Ist das frauenfeindlich? Wird in Deutschland öffentlich über Witze gesprochen, geht es um das Thema und so gut wie nie um das Handwerk. Sind Witze über Nachnamen von Frauen per se frauenfeindlich? Schwierige Frage. Leichter zu beantworten wäre: Sind Witze über Nachnamen von Frauen denn gut? Wurden die nicht auch, sagen wir mal, 1949 schon gemacht? Brauchen wir sie 2019 noch?

Mit der Stand-up-Comedy kommt auch die Reflexion über den Witz nach Deutschland, eine andere, weniger dogmatische Art, über Humor zu sprechen.

Hans Thalhammer hat sich an Videos geschult und auf offenen Bühnen ausprobiert. Mit seinem comedy buddy Sebastian Ulrich gründete er Ja&Weiter, zeitweise gab es auch einen Podcast als Ableger. Er interessiert sich auch für die theoretische Seite des Witzes. Sind Donald Trump und Alexander Gauland dankbare Themen für Comedy?

Nein, findet Thalhammer. In einem Restaurant in der Münchner Innenstadt fragt er: Braucht es wirklich noch einen Comedian, der sagt, dass Nazis schlimm sind? „Muss uns noch irgendjemand sagen, dass Donald Trump dumm ist? Das wissen wir doch schon. Das erledigt er doch ganz von alleine.“

Thalhammer hat eine Theorie, was nicht stimmt mit dem Kabarett in Deutschland.

Trumps Frisur, Gaulands Krawatte, Merkels Raute, Kramp-Karrenbauers Name  – Themen, die sich Humoristen gerne herauspicken. Thalhammer ist überzeugt: Comedy kann mehr als das. Comedy is always on the way somewhere else, zitiert er Jerry Seinfeld, den großen US-amerikanischen Comedian und Erfinder der gleichnamigen Sitcom. Comedy ist immer auf dem Weg woanders hin. Alles, was ohnehin im Zentrum der Aufmerksamkeit liegt, ist für Comedy belanglos geworden. Mithin also die klassischen Aufregerthemen: AfD, Trump, tough auftretende Hiphopper. Thilo Sarrazin. Verschwörungstheoretiker. Nazis.

Aber ist ein Witz lustig oder eben nicht? Ganz unabhängig vom Thema? Jein. Bestimmte Themen machen es dem Witz schwerer, lustig zu sein. Man sieht das, wenn man einen Witz zerlegt.
Thalhammer erklärt: Witztheoretisch gesprochen zerfällt ein Gag in das Setup und die Punchline. Die Punchline ist die Pointe, der Satz, der den Lacher bringt. Die funktioniert aber nicht ohne das richtige Setup. Hier liefert ein Comedian alle Informationen, die nötig sind, um den Witz zu verstehen. Gutes Setup bedeutet nicht zwangsläufig gute Punchline, und damit guter Witz. Sicher ist dagegen: Aus einem faden Setup folgt ein fader Witz.

Zum Setup gehört auch die sogenannte Prämisse, premise im Englischen, also die Haltung, Meinung oder Weltanschauung des Comedians, die hinter dem Witz steht. Eine neue Punchline zu Trump einfallen lassen? Kann jeder, findet Thalhammer. Aber solange sie auf der Prämisse „Trump ist doof“ basiert, wird der Gag insgesamt so lala. „Wenn die Prämisse alt ist, ist es automatisch auch jeder Gag, den ich auf dieser Basis mache“, sagt Thalhammer.

Stand-up-Comedians wollen darum keine neuen Punchlines suchen, sondern neue Prämissen. Eben: neue Blickwinkel auf die Welt. Leicht ist das nicht, aber wenn man keine originelle Haltung mehr zu Donald Trump einnehmen kann, sollte man vielleicht als Gagautor die Finger davon lassen und sich andere Themen vornehmen, meint Thalhammer.


Trump, AfD, Pegida  – sie beflügeln den Humor nicht, sie machen ihn träge. Thalhammer sieht nicht, wie der politische Witz wieder lustiger werden könnte. Dazu müsste er sich von alten Prämissen befreien. Die Prämisse des politischen Kabaretts schlechthin ist der moralische Konsens zu Demokratie und Gemeinschaft. „Diese Moral verhindert auch neue Prämissen.“ Kaum jemand stellt sich hin und sagt öffentlich: Diktaturen sind doch toll. Man muss nicht dieser Meinung sein, sagt Thalhammer, wer würde das schon. Aber man kann die Prämisse als Comedian vertreten. „Dann wird es schnell abgefahren“, sagt er. „Und vielleicht ja sogar witzig.“

Warum nur trauen sich das so wenige?